Ethics

Rotpunkt ist eine saubere Sache, wird jedoch vor allem in Klettergärten praktiziert und nur selten im Gebirge: Dort wird genagelt und gebohrt wie im Eisernen Zeitalter der 40er Jahre. Freiklettern o.k., solange es geht, dann die Bohrmaschine zücken und los geht’s mit dem “Mord am Unmöglichen”.
Ich persönlich versuche Wege zu finden, die frei kletterbar sind. Dass ich mich mit der Wand und deren Felsstruktur auseinandersetzen muss, um einen Weg zu finden, fasziniert mich. Im Laufe der Zeit habe ich auch begonnen, mir selbst Regeln aufzulegen. So möchte ich, wie gesagt, frei klettern (bei Erstbegehungen von unten ist dies nur mit Ausruhen möglich). Möchte vorgängig nicht über die Wand abseilen, oder gar Kletterpassagen einüben. Möchte keine Bolts in Reichweite des letzten anbringen. Möchte auch nicht irgendwelche Risse hoch, um nachträglich eine Platte nebenan abzusichern.Von unten erstbegehen. Berge wurden seit eh und je von unten bestiegen. Natürlich entstehen mit “freien” Erstbegehungen nicht immer Touren für jedermann. Es entstehen Touren, die halt so schwierig sind, wie sie sind. Frei klettern. Dann bleibt das Unmögliche möglich. Auch mit dem Bohrhaken.
Abenteuer und Klettergenuss in einem erleben zu können, erscheint mit die grosse Möglichkeit des alpinen Sportkletterns zu sein. Und wir Erstbegeher übernehmen hierbei auch die Verantwortung, dass diese Möglichkeiten nicht in wenigen Jahren vorschnell zerstört sind.

Martin Scheel
Unendliche Geschichte, Rätikon. Photo: Robert Bösch

Unendliche Geschichte, Rätikon.
Photo: Robert Bösch